Die sonderbare Geschichte von Hans, dem intelligenten Pferd, das zählen und auf die Fragen seines Besitzers „antworten“ konnte

von Aya

19 April 2021

Die sonderbare Geschichte von Hans, dem intelligenten Pferd, das zählen und auf die Fragen seines Besitzers „antworten“ konnte
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Daran, dass viele Tiere dazu fähig sind, einen Großteil der menschlichen Emotionen und Gemütszustände zu deuten, hatten wir keinen Zweifel, bedenkt man beispielsweise auch die große von uns geschätzte Sensibilität unserer Hunde und Katzen. Aber dass ein Tier Mathematik oder die menschliche Sprache verstehen kann, nun, das überrascht uns jedes Mal, wenn es vermeintlich passiert. Hans, das berühmte Pferd vom Lehrer Wilhelm von Osten, ging in die Geschichte ein, weil man glaubte, dass es mit einer so ausgeprägten Intelligenz ausgestattet war, dass es arithmetischen Operationen und anderen logisch-intellektuellen Tätigkeiten folgen konnte. War dem wirklich so? Wilhelm von Osten war davon sehr überzeugt, und zwischen dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts führte er auf Plätzen in Berlin Spektakel vor, mit großem Publikum, vor dem er mit seinem Pferd Hans auftrat.

 

via Britannica

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Wilhelm von Osten war ein Mathematiklehrer an einem Gymnasium in Berlin, der die angeborene Intelligenz seines Tiers namens Hans entdeckt hatte, ein Pferd der Rasse Orlow. Das Pferd, um das es ging, „Kluger Hans“ oder „Hans der Intelligente“ genannt, demonstrierte, dass es durch alle mathematischen Operationen zählen und auf andere logisch-deduktive Fragen antworten konnte. Aber wie hat es das geschafft? Es sah so aus, als hätte Osten dem Pferd Mathe beigebracht, aber gewiss konnte er es nicht lehren zu sprechen! Tatsächlich hatte der alte Lehrer ein System ausgearbeitet, mit dem Hans durch den Schlag seiner Hufe auf ein dafür gedachtes Holzbrett auf die Fragen antworten konnte. Hans demonstrierte, dass er neben Zahlen auch Buchstaben kannte, zum Beispiel entsprach ein Hufschlag dem Buchstaben „A“, zwei Schläge dem Buchstaben „B“ und so weiter …

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Das Pferd konnte auch auf andere Fragen allgemeinerer Natur antworten; wenn sein Besitzer es beispielsweise fragte, wie viele Menschen mit Hut im Raum waren, konnte es die Zahl angeben. Das Phänomen Hans wurde bald zu einem unglaublichen und verdienten Erfolg, sodass es die Aufmerksamkeit einer großen Mengen Experten auf sich zog, die entschlossen waren, ein für alle Mal zu beweisen, ob das Pferd wirklich intelligent war oder es sich um eine kollektive Illusion, wenn nicht gar einen Schwindel handelte. 1904 wurde eine „Kommission Hans“ zusammengestellt, 13 Personen, die den Auftrag hatten, die Wahrheit über die Intelligenz jenes Pferdes herauszufinden. Diese Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass es keinen Schwindel vonseiten Wilhelms von Osten gab und dass das Pferd wirklich intelligent war.

 

Ein Foto des Lehrers Wilhem von Osten

Ein Foto des Lehrers Wilhem von Osten

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Teil der Kommission war ein gewisser Carl Stumpf, ein erfahrener Psychologe, der die Aufgabe hatte, den Wahrheitsgehalt der Veranstaltungen zu bestätigen, an denen Hans teilnahm. Der Psychologe und Universitätsprofessor hatte einen Studenten, der sehr an der Geschichte des „Klugen Hans“ interessiert war, Oskar Pfungst, welcher beschloss, das Tier selbst in Augenschein zu nehmen, um die Angelegenheit zu bewerten. Pfungst hatte eine andere Vorstellung von dieser Geschichte und beschloss, sie mit anderen Methoden zu validieren, die noch nicht an Hans probiert wurden. Vor allem ging Pfungst davon aus, dass das Pferd jedes Mal richtig auf die Fragen antwortete, wenn sein Besitzer, von Osten, derjenige war, der sie stellte. Sicher, Hans schien auch richtig zu antworten, wenn ein Fremder die Fragen stellte, aber wenn die Frage in einiger Entfernung zum Pferd, außerhalb seines Sichtfelds, gestellt wurde, begannen die Probleme. Es zeigte sich, das Hans auch nicht zu antworten wusste, wenn der Fragesteller die Antwort selbst nicht kannte.

Worin bestanden Pfungsts Schlussfolgerungen?

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Hans’ vermutete Intelligenz war also nicht ausschließlich von seinen angeborenen Fähigkeiten abhängig, sondern davon, wie die Menschen mit ihm interagierten. Während der Experimente waren die Fragesteller nämlich immer Subjekt von unbewussten, fast unmerklichen Änderungen der Haltung und Mimik, die das Tier erfassen und zu seinem Vorteil deuten konnte. Mit anderen Worten, Hans konnte die non-verbale Haltung seiner Fragesteller entschlüsseln, was den Grund darstellt, aus dem man in der modernen Wissenschaft vom „Der Kluge Hans-Effekt“ spricht, wenn ein Tier, oder auch ein Mensch, dem Einfluss der non-verbalen Sprache seines Gegenübers erliegt. Aus dieser Erfahrung hat die moderne Wissenschaft wissenschaftliche Methoden und Verfahren entwickelt, um zu verhindern, dass Tiere von menschlichem Verhalten beeinflusst werden (man denke an die Dressur von Polizeihunden).

Wilhelm von Osten starb 1909, immer noch davon überzeugt, dass sein Pferd sehr intelligent war. Man kann nicht sagen, dass dem nicht so war, aber gewiss beherrschte es nicht wirklich Mathe. Und, kanntet ihr diese Geschichte bereits?

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